STEPHANIE
KLOSS Unwillkürlich denkt man an klassische Landschaftsmalerei aus China
oder Japan. Nebelschwaden ziehen ätherisch durch den Regenwald, als
hätte ein Zen-Meister sie choreografiert. Äste im Vordergrund
sind raffiniert verschattet und lassen an das Liniensystem einer Kalligrafie
denken. Scharfkantig wie eine grafische Folie lösen sich schwarzgrüne
Blätter aus dem Dschungeldunst. Das Licht lässt Baumschichten
zart verblassen, während es andere Formationen glasklar hervortreibt:
So malerisch kann Fotografie sein, dafür braucht sie kein Computerprogramm,
sondern ein sicheres Gespür für Komposition und Lichtregie.
Alles ist Natur, was in diesen Bildern artifiziell aussieht. Kloss’ Fotografien erscheinen wie ein Traum von Wirklichkeit. Dabei
ist hier alles echt, niemals wird etwas arrangiert, gestellt oder künstlich
generiert. Die einzige Freiheit, die Kloss sich nimmt, besteht in der
Reduktion auf Ausschnitte und der Nuancierung der Helligkeitsvaleurs.
Roland Barthes hat in seinem Essay „Die helle Kammer“ treffend charakterisiert, warum manche Fotografien dem Betrachter unter die Haut gehen und andere nicht: „Letzten Endes ist die Fotographie nicht dann subversiv, wenn sie erschreckt, aufreizt oder gar stigmatisiert, sondern wenn sie nachdenklich macht.“ Kloss’ Bilder machen nachdenklich, indem sie unseren Blick für das Erhabene in der Normalität schärfen. Sie führen uns zu den Schönheiten der Natur, zu auratischen Elementen von Architektur und magischen Augenblicken im Alltag. Sie zeigen uns das Unechte im Echten. Es ist eine Lichtbildnerei von höchster Präzision, Schärfe und Tiefenerschließung; eine Transformation des Gesehenen, die weit über das bloße Abbild hinaus geht. „Eine Fotografie ist nicht das, was fotografiert wurde. Es ist etwas Anderes“, sagte der amerikanische Fotograf Garry Winogrand. „Es ist eine neue Wirklichkeit.“ (Auszug aus dem Katalogtext „Der Traum von der Wirklichkeit“
von Sebastian Preuss, 2009) |