Stephanie
Kloss / Joshua Zielinski
Instant Replay
24. Februar bis 6. April 2024
/ Künstlergespräch
Donnerstag den 14. März 2024 um 19 Uhr
Moderation: Bettina Klein
LAURA MARS GALLERY
Bülowstraße 52
10783 Berlin
Phone 0049 - (0)30 - 61074630
Pressemitteilung
Lenins linkes Ohr liegt am Berliner Stadtschloss. Was klingt
wie eine Schlagzeile aus der Boulevardpresse, ist die sehr verkürzte
Beschreibung des ersten Raums von Instant Replay,
der ersten gemeinsamen Ausstellung von Stephanie Kloss
und Joshua Zielinski in der Laura Mars Gallery.
Kloss hat hier ein Fragment der kulissenhaften Architektur des rekonstruierten
Schlosses als Fototapete realisiert. Zielinskis Ausgleichsgewicht (2023),
ein riesiges Ohr aus rosa Granit, das für einen Tag als ortsspezifische
Intervention am Platz der Vereinten Nationen (ehemals Leninplatz) auf
das 1992 abgebaute Lenindenkmal verwies, wird so zum fiktiven archäologischen
Fundstück am früheren Standort des Palasts der Republik.
Verdrängte, schlecht verdaute, überschriebene und doch immer
wieder aufstoßende Geschichte manifestiert sich auch in den Fassaden
der Gebäude auf Kloss‘ Fotografien im zweiten Raum: das Sonnenblumenhaus
in Rostock-Lichtenhagen, 1992 Ort massiver rassistischer Angriffe von
Rechtsextremen gegen dort lebende vietnamesische Vertragsarbeiter; die
Zeppelintribüne auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in
Nürnberg, sowie der Neubau des Axel-Springer-Hauses, mitten auf dem
ehemaligen Mauerstreifen, mit schwarzen Säulen auf der West- und
weißen auf der Ostseite. Von OMA (Office for Metropolitan Architecture)
wird es beworben als „Gebäude, das die Elite der (deutschen)
digitalen Bohème anlocken soll“ und das symbolisch für
den Übergang von Print zu digitalen Medien steht. Kloss fotografiert
die Gebäude in Nahsicht, rückt ihnen auf den Leib und betont
so eine subjektive Perspektive, die weniger die Architektur als solche
im Blick hat, als die Bilder und Ereignisse, die wir mit diesen Kulissen
der politischen und medialen Macht assoziieren.
Auch Zielinskis Waidmannsdank hatte ursprünglich einen Architekturbezug:
die beiden von einem Hirschfell gefertigten Zinkabgüsse, die hier
auf keilförmigen Holzsockeln ruhen, waren im Kontext einer Ausstellung
im Park von Schloss Liebenberg in Brandenburg entstanden, wo sie die im
Zweiten Weltkrieg zerstörten Hirsch-skulpturen am Eingang des Jagdgeländes
temporär ersetzten. Die räumlichen und inhaltlichen Verschiebungen
von Zielinskis Arbeiten (aus dem öffentlichen Raum in die Galerie,
vom Solitär zum Dialog mit den Fotografien von Kloss) öffnen
neue Denkräume und Assoziationen, die über den einen spezifischen
Kontext hinausführen. Elemente aus früheren Installationen werden
zu neuen Skulpturen zusammengefügt: auf der zarten Halbsäule
aus weißem Marmor, einem Straßenfund, balanciert ein grob
behauener Kalkstein in fragilem Gleichgewicht.
Die Reihe von Bronzekeilen, die wie Fundstücke aus einer Grabung
anmuten, sind Abgüsse von Türkeilen aus Holz, die Zielinski
über Jahre in verschiedenen Museen gesammelt hat. Das Abgießen
fixiert den Zustand der mehr oder minder abgenutzten Alltagsobjekte für
die Ewigkeit und adelt sie selbst zu musealen Artefakten. Durch die an
den Gussstücken belassenen Gusskanäle und -trichter erhalten
diese eine individuelle, teils fast figürliche Ausprägung.
Instant Replay, so nennt man den Videobeweis bei Sportübertragungen;
die Wiederholung in Zeitlupe und mithilfe von Kameras, aus deren fokussierter
Perspektive mehr zu sehen ist als in der Totale. Die Ausstellung bringt
historische Fragmente, Artefakte und Trophäen als Indizien gescheiterter
Ideologien zur Wiederauf-führung in den Kulissen einer brüchigen
Gegenwart.
Text: Bettina Klein
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Stephanie Kloss, geboren in Karlsruhe, lebt und arbeitet
als bildende Künstlerin in Berlin. Sie hat Architektur an der Technischen
Universität in Berlin (Diplom) und Medienkunst an der Hochschule
für Gestaltung Karlsruhe bei Marie-Jo Lafontaine und Günther
Förg sowie Fotografie bei Thomas Struth und Candida Höfer studiert.
Stephanie Kloss’ fotografische Arbeiten beschäftigen sich mit
soziologischen, politischen und räumlichen Phänomenen. Sie ist
in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten. Neben ihrer
künstlerischen Arbeit unterrichtet sie als Dozentin an der Universität
der Künste Berlin (UdK), kuratiert Ausstellungen und betreibt den
Berliner Projektraum "Die Möglichkeit einer Insel".
Joshua Zielinski, geboren 1986 in Michigan, USA, lebt
und arbeitet als bildender Künstler mit Schwerpunkt Bildhauerei in
Berlin. 2005 bis 2008 studierte er Bildende Kunst an der Western Illinois
University (Bachelor of Fine Arts bei Prof. Don Crouch) und von 2009 bis
2013 Bildhauerei an der Kunsthochschule Weissensee (Meisterschülerabschluss
bei Prof. Berndt Wilde). Von 2013 bis 2014 erhielt er ein Aufenthaltsstipendium
an der Cité Internationale des Arts Paris. Anschließend absolvierte
er von 2015 bis 2018 den postgradualen Studiengang "Kunst im Kontext"
an der UdK Berlin (Master of Arts Abschluss bei Prof. Heike Föll).
Seit 2017 hat er Lehraufträge u.a. an der Weißensee Kunsthochschule
Berlin, an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule in Halle sowie an der
Western Illinois University, USA. Zielinskis Arbeiten wurden u.a. auf
dem Project Space Festival Berlin (2023), in der Kunsthalle Kotha, Helsinki,
Finnland (2021), in der Burg Galerie, Halle (2020), in der Foundation,
Wien (2018), und auf der Yayasan Biennale, Jogjakarta, Indonesien (2017)
ausgestellt.
// english version
Stephanie Kloss / Joshua Zielinski
Instant Replay
24 February to 6 April 2024
/ Artist talk
Thursday 14 March 2024 at 7 pm.
Moderation by Bettina Klein
LAURA MARS GALLERY
Bülowstraße 52 - 10783 Berlin - lauramars.de
Open hours: Wed-Fri 1pm-7pm, Sat 1pm-6pm
Press Release
Lenin's left ear lies by the Berlin City Palace. What sounds like a yellow
press headline is a very abbreviated description of the first room of
Instant Replay, the first joint exhibition by Stephanie
Kloss and Joshua Zielinski at the Laura
Mars Gallery. Here, Kloss has realized a fragment of the backdrop-like
architecture of the reconstructed palace as a photo wallpaper. Zielinski's
Ausgleichsgewicht (Counterweight, 2023), a giant ear made of red granite,
which for one day as a site-specific intervention on the Platz der Vereinten
Nationen (formerly Lenin Platz) referred to the Lenin Monument, which
was dismantled in 1992, thus becomes a fictitious archaeological find
on the former position of the Palace of the Republic.
Repressed, poorly digested, overwritten and yet constantly resurfacing
of history also manifests itself in the facades of the buildings in Kloss'
photographs in the second room: the Sonnenblumenhaus (Sunflower House)
in Rostock- Lichtenhagen, the site of massive racist attacks by right-wing
extremists against Vietnamese contract workers living there in 1992; the
Zeppelin Tribune at the former Nazi Party Rally Grounds in Nuremberg,
as well as the new Axel Springer building, in the middle of the former
Berlin border strip, with black columns on the west and white ones on
the east side. It is advertised by OMA (Office for Metropolitan Architecture)
as a "building designed to attract the elite of the (German) digital
bohemia" and symbolizes the transition from print to digital media.
Kloss photographs the buildings close up, getting right up close to them
and thus emphasizing a subjective perspective that focuses less on the
architecture as such than on the images and events that we associate with
these backdrops of political and media power.
Zielinski's Waidmannsdank (Good hunting, 2023) also originally had an
architectural reference: the two zinc casts made from a deer pelt, which
here rest on wedge-shaped wooden plinths, were created in the context
of an exhibition in the park of Schloss Liebenberg in Brandenburg, where
they temporarily replaced the elk sculptures at the entrance to the hunting
grounds that were destroyed during the Second World War. The spatial and
thematic shifts in Zielinski's works (from the public space to the gallery,
from solitaire to dialogue with Kloss's photographs) open up new spaces
for thoughts and associations that extend beyond the one specific context.
Elements from earlier installations are combined to form new sculptures:
a roughly carved limestone balances in fragile equilibrium on the delicate
half-column made of white marble, a street find.
The row of bronze wedges, which look like artefacts from an excavation,
are casts of wooden door wedges that Zielinski has collected over the
years from various museums. The casting fixes the status of the more or
less worn everyday objects for eternity and ennobles them as museum artefacts.
The casting channels and funnels left on the casts give them an individual,
sometimes almost figurative character.
Instant Replay is the name given to video evidence in sports broadcasts;
the replay in slow motion and with the help of cameras, whose focused
perspective reveals more than can be seen in the total shot. The exhibition
presents historical fragments, artefacts and trophies as evidence of failed
ideologies for reenactment against the backdrop of a fragile present.
Text: Bettina Klein
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Stephanie Kloss, born in Karlsruhe. She lives and works
as a visual artist in Berlin. She studied architecture at the Berlin Technische
Universität (diploma), and media art at the Hochschule für Gestaltung
Karlsruhe under Marie-Jo Lafontaine and Günther Förg, as well
as photography under Thomas Struth and Candida Höfer. Stephanie Kloss’s
photographic works deal with sociological, political, and spatial phenomena.
She is represented in numerous solo and group exhibitions. In addition
to her artistic work, she teaches as a lecturer at the Berlin University
of the Arts (UdK), curates exhibitions and runs the Berlin project space
"Die Möglichkeit einer Insel".
Joshua Zielinski, born 1986 in Michigan, USA, lives and
works as a visual artist with the focus on sculpture in Berlin. From 2005
to 2008 he studied Fine Arts at Western Illinois University (Bachelor's
degree by Prof. Don Crouch) and from 2009 to 2013 he studied sculpture
at the Kunsthochschule Weissensee (Meisterschüler by Prof. Berndt
Wilde). From 2013 to 2014 he was an artist in residence at the Cité
Internationale des Arts Paris and from 2015 to 2018 he studied the postgraduate
program "Art in Context" at the UdK Berlin (Master of Arts by
Prof. Heike Föll). Since 2017, he has held several teaching positions
at the Weißensee Art Academy Berlin, at the Burg Giebichenstein
Art Academy in Halle and at Western Illinois University USA. Zielinski's
works have been shown at the Project Space Festival Berlin (2023), the
Kunsthalle Kotha, Helsinki, Finland (2021), the Burg Galerie, Halle (2020),
the Foundation, Vienna (2018), and the Yayasan Biennale, Jogjakarta, Indonesia
(2017), among others.
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