Presseartikel aus FAZ vom 21.12.200: Wie dick muss ein T werden? Damit es ein T-Shirt wird: Einige Blätter aus den Notizbüchern von Daniel Pflumm von Stefan Heidenreich Kürzlich erst stellte der Künstler Daniel Pflumm in der Galerie Greene Naftali in New York aus. Er ist einer der Repräsentanten der jüngeren Generation Berliner Künstler; die bekanntesten seiner Arbeiten, sind Leuchtkästen mit logoartigen Symbolen und Videos, die in rascher Folge Symbole, Slogans oder Gesten aus der Welt des Konsums und des Produktdesigns zeigen. In der Kreuzberger Galerie Laura Mars hängen nun sechs postkartengroße Blätter aus den Notizbüchern des Künstlers. Wenn die Blätter schon klein wirken, dann erscheinen die Motive, die auf ihnen versammelt sind, winzig. Mit Kugelschreiber hat Pflumm in Blöcken gruppierte Häufchen von Zeichen aufs Papier gekritzelt. Man muß nah herangehen, um einen Kreis mit einem Häkchen von einem anderen mit zwei Häkchen unterscheiden zu können. Aus der Nähe verliert man sich im Gewirr der Formen. Die meisten der Symbole erscheinen bekannt, weil irgendein Unternehmen für eine seiner Marken etwas Ähnliches entworfen, gedruckt oder gesendet hat. Die Differenzierungswut der Produkte und Marken hat zu einem Reich der Zeichen geführt, das am ehesten der chinesischen Schrift verwandt scheint. Nicht zuletzt dank digitaler Verfahren wurde eine Unmenge verschiedener Fonts, Sonderzeichen und Symbole entworfen und in Umlauf gebracht. Die Lektüre der Notizen Daniel Pflumms fährt auf eine obskure Tour durch die Muster der Warenwelt und all jener Symbole, die man tagtäglich zu sehen genötigt wird und zu übersehen versucht, die deshalb schemenhaft verankert wie Geisterbilder im aufgenötigten und brüchigen Markengedächtnis hausen. Die Marke ist kein Abbild der ökonomischen Verhältnisse hinter den Produkten, sondern nur differenzierende Oberfläche, mit deren Hilfe verzweigte Kapitalgesellschaften ihre Produktpaletten künstlich auffächern, um deren Marktanteile dann wieder zu summieren. Weder die Zeichnungen noch die anderen Arbeiten Pflumms machen die ökonomischen Verhältnisse hinter den Logos deutlich. An seinen bunten Leuchttafeln mit stilisierten Symbolen, wurde oft bemängelt, daß sie sich affirmativ dem Produkt- und Markenwahn ergeben. Die Notizen sind in dieser Hinsicht aufschlußreich. Allein die auf engstem Raum gedrängte Menge der Formen macht deutlich, daß das einzelne Logo als grafisches Muster ohne Wert behandelt wird und seine Produktbedeutung wie beiläufig aufruft, um sie im Wettbewerb mit seinen Nachbarn sofort zu vernichten. Die Lektüre wird zum Kampf gegen die diffusen Bedeutungen und den unkontrollierbaren Produktunfug. In dieser Hinsicht erscheint der Symbolsatz der Logos einem Zeichensatz vergleichbar, der Ding, Wort und Laut vermischt. Er gleicht dem Vor-Alphabet, als das A oder a nicht nur einen Laut, bezeichnete, sondern - wie man in der ursprünglichen Figur, zwei parallel verlaufenden kleinen Strichen, die entfernt, an unsere heutigen Anführungszeichen erinnern ("), erkennt - auch den Stier, den das phönizische Wort "Aleph" benannte. Nun hat sich nicht nur die Zahl der Dinge und Stiere und Stier- und Dingmarken vervielfacht, sondern die Ausführungen der Zeichen. Der Gesamtheit grafischer Figuren wird von Differenzmustern gleichsam durchfurcht, und jeder Strich, ist ein Wink, das Zeichen so oder anders zu sehen. Die Inflation der Zeichen ist Quelle und Anlaß von Pflumms Notizen. Mit jeder Variation und jeder neuen, Gruppierung verändert sich etwas an der Bedeutung - wenn man davon, noch sprechen, will. Was kommt dabei heraus, wenn wir eine Fluglinie mit einem Turnschuh kreuzen? Worin besteht die Verwandtschaft eines Getränkes.. mit einem Automobil? Was geschieht mit dem Logo der Hotelkette, wenn es das Wort HIPPI im Namen, führt? Wie dick muß ein T werden, damit es ein T-Shirt ist? An manchen Stellen überschreiten die Notizen das Spiel der grafischen Variation und geben tagebuchartige Momente wie- der: Klaus neue Mütze, der Phone-Check oder besonders in einem Blatt, das den Produktions- und Vermarktungsweg eines Videos abbildet. Dort erscheinen im Zei-chenwald Figuren, die - wie kleine Götter dem Stier- und anderen Markenkulten hul-digen: der Sponsor, der Boß, der Cutter, das Team und alle jene Figuren, die die Zirkulation der Zeichen antreiben und von ihr angetrieben werden. Zu der Ausstellung ist ein bedrucktes T-Shirt als Multiple erschienen. Es zeigt auf der einen Seite das Logo eines Uhrenherstellers - eine stilisierte Uhr, deren Zeiger auf zwei Uhr stehen. Auf dem Rücken steht: "Stop everything. Now." Daniel Pflumms Beitrag zur Kulturkritik? Nein, nur ein Spruch mehr. © Frankfurter Allgemeine Zeitung 2001 |