ANDREAS
SELTZER
DIE SENDERMANN - SERIE
Eröffnung: Freitag, den 14. März 2014 um 20 Uhr
Ausstellungsdauer: 15. März - 5. April 2014
Ausstellungsrezensionen / Press Releases
Neues
Deutschland , 02.04.2014
Von den Wahrheiten eines Wahnsinnigen »Die Sendermann-Serie«
von Andreas Seltzer
von Robert D. Meyer
Neues
Deutschland , 12.03.2014
"Offenbar(t)e Verrücktheiten" über die Sendermann
Serie von Andreas Seltzer
von Jürgen Amendt
Die
Visionen des Sendermanns, TAZ, 20.03.2014
Andreas Seltzers Fotoserie über die kryptischen Warnungs-Botschaften
des Sendermans
von Claudia Basrawi
Arte-TV Magazin, 18.03.2014
Mit Andreas Seltzer auf den Spuren des Sendermanns von Tee Schmidt
Meinecke/ deutsche
version
L'artiste Andreas Seltzer suit la piste de "Sendermann"
de Tee Schmidt Meinecke/
version français
Die ersten noch unsicher gekritzelten Mitteilungen des Sendermanns tauchten
in den Wintermonaten 1972 in den Bezirken Tempelhof und Schöneberg
auf. Bis zum Jahre 1978 überzog er die Innenstadt von Westberlin
mit paranoid anmutenden Inschriften.
An den Wochenenden sah man ihn häufig den Kurfürstendamm mit
Transparenten entlangwandern. Er war ein kräftiger Mann, der mit
schneidender Stimme durch sein Megaphon kryptische Botschaften rief: „Bürger!
Entwickelt Initiative! In jedem 3. Haus CIA und Abschirmdienst mit Sendern!
Wehrt Euch! Der Verfassungsschutz foltert Bürger mit Sendern!“
Der Parolenseligkeit der versickernden Studentenbewegung überdrüssig,
tippten sich die meisten Passanten an die Stirn: wieder ein Spinner. Es
gab eine merkwürdige Diskrepanz zwischen dem agitatorischen Auftreten
des Sendermanns und der Einsilbigkeit mit der er sich in persönlichem
Gespräch über die ominösen Sender äußerte. Offenbar
brauchte es seherische Fähigkeiten, um sie orten zu können.
Viel lieber wiederholte er mechanisch seine Warnungen vor der Gefahr,
die die „Geheimbündelei“ großer Organisationen
darstellte, die der CIA etwa, oder des Verfassungsschutzes, der SPD oder
eines nicht weiter charakterisierten „Abschirmdienstes“, dessen
Spitzel jederzeit bereit waren, mittels Sendern Lauschangriffe durchzuführen.
Als Operationsbasis schienen diese Geräte schon jedes dritte Haus
zu nutzen. Bald hieß es dann auch, dass jedes Haus zur Relaisstation
finsterer Mächte geworden sei. Das Quälende an dieser Vision
des Sendermanns war, dass die derart imaginierten Mächte mithilfe
umfassender Camouflage subtile Folter auszuüben schienen: Haushaltsgeräte,
Kleidungsstücke, Einrichtungsgegenstände, - alles konnte zum
Versteck taugen, aus dem heraus das Leben ringsum protokolliert wurde.
Selbst die auf Werbeplakaten abgebildeten Dinge und Menschen erschienen
im Kosmos des Sendermanns als Agenten einer alles durchdringenden Registrier-Maschinerie.
Berlin, West wie Ost, war in den Jahren der Sendermann-Aktivitäten,
ein Eldorado der Geheimdienste: der CIA, der NSA (die mit ihren Abhöranlagen
auf dem Teufelsberg residierte), des KGB, der britischen und französischen
Geheimdienste, der Staatssicherheit der DDR, des BND, des Verfassungsschutzes
-, immer ging es um das Sammeln von Informationen, um das Platzieren von
Maulwürfen, um die Möglichkeit von Einflussnahmen und um politische
Manipulation.
Ob der Sendermann selbst ein Opfer der Anwerbeaktionen dieser Dienste
gewesen ist, wissen wir nicht. Aufffällig ist, dass in seinen Warnungen
immer nur von der CIA und dem Verfassungsschutz die Rede war. Eines der
wenigen bekanntgewordenen Details seiner Biografie ist, dass er in den
frühen 60er Jahren eine Zeitlang als Ingenieur bei General Motors
in Detroit gearbeitet hat. Bei diesem Hintergrund kann man davon ausgehen,
dass er über genügend technisch-logistische Fähigkeiten
verfügte, um die fast generalstabsmäßige Eroberung der
städtischen Oberflächen zu realisieren. Im Gegensatz zu seinen
öffentlich vollzogenen Plakat- bzw. Transparentaktionen musste das
Schriftschreiben heimlich stattfinden. Hätte man ihn dabei erwischt,
wären saftige Strafen fällig gewesen. Wie Tagger und Sprayer
heutzutage, hatte er ein sicheres Auge für die Platzierung seiner
Botschaften. Viele seiner oft sorgfältig gepinselten und variantenreichen
Slogans waren in Winkeln städtischer Brachen versteckt und konnten
an Bauzäunen und an Wänden von Kinderspielplätzen, Parkplätzen,
Brücken und Straßenunterführungen entdeckt werden.
Inmitten der „Textkämpfe“, wie Michael Rutschky die Konkurrenz
städtischer Wandparolen und Graffiti nannte, erschienen die Sendermann-Sätze
in ihrer Rätselhaftigkeit infizierend; sie wirkten wie Sperrzonen,
die nur mühsam die Sicherheiten der Normalität aufrechterhalten
konnten.
Andreas Seltzer hat das damals, als er mit der Kamera auf der Suche nach
Inschriften des Sendermanns die Stadt durchwanderte, schon früh erkannt.
Vertraut mit den Sammlungen des Psychiaters Hans Prinzhorn, war ihm klargeworden,
dass sich hier eine zeitgemäße „Bildnerei der Geisteskranken“
entwickelt hatte, die nicht mehr in den Abgeschlossenheiten des privaten
und klinisch kontrollierten Wahns agierte, sondern selbstbewusst das Stadtterrain
als Arbeitsfeld verstand, das auf Signaturen wie die des Sendermanns wartete.
Zum ersten Mal präsentiert die Galerie Laura Mars die komplette Sendermann-Serie
von Andreas Seltzer.
Während der Ausstellung werden exklusiv Passagen aus dem neuen Dokumentarfilm
von Niels Bolbrinker gezeigt, der sich der schönen neuen Welt des
Ausspähens und der Gedankenkontrolle widmet und in dem, neben anderen,
der Sendermann und Andreas Seltzer als Mittler zwischen Wahn und Wirklichkeit
zu Wort kommen. (Kinostart: Mai 2014).
-------------------------------- english version ---------------------------------
ANDREAS SELTZER
THE TRANSMITTER-MAN SERIES
Opening: Friday, 14 th of February 2014 at 8 p.m.
Duration: 15th of March – 5th of April 2014
By Means of Radio Transmitters in their Heads
Citizens are being Controlled, Overheard, Talked-to
Persecuted, Tortured
The first slogans produced by the transmitter-man appeared in West Berlin
during the winter months of 1972. Until approximately 1978 he inundated
the city with graffiti and actions which became known throughout Berlin
within three years even though he himself remained for the most part anonymous.
The work of the transmitter-man has the character of an advertising campaign
but is unlike one insofar as he is not publicising something that can
be bought but an idea which he wants firmly to lodge in people´s
minds. His slogans reveal the beginning of a realisation which the transmitter-man
was not capable of developing further and which deteriorated into the
lunatic: namely the sense of the far-reaching loss of privacy and of the
influence of anonymous machinery infiltrating everywhere.
Our special interest is in the techniques he employs to bring his message
to as many people as possible. For techniques are transferable. People
who have different opinions can modify and use them.
The transmitter-man does not accept that the poor are impotent. Everyone
knows: power is tied to money. But what do you do if you have no access
to papers, to TV or to radio? Since 1973 the transmitter-man has employed
a wide repertoire of media, all of which have the important advantage
that they cost little: pamphlets in letter-boxes, posters and broadsheets,
the megaphone, banners and slogans on walls.
The transmitter-man works with consistency, precision and over a long
period. He chooses the right place for his publications. He covers one
part of Berlin after another.
The transmitter-man cleverly packages his ideas. An idea which should
lodge firmly in the mind must stimulate his imagination and intelligence.
The meaning of his message is not comprehended immediately. The messages
are ambiguous and thus make us want to know more.
(Text from the catalogue 13 E - Eleven Artists working in Berlin
Whitechapel Art Gallery, London, 1978)
For the first time Laura Mars Gallery will show the complete Transmitter-Man
Series by Andreas Seltzer in Berlin. In addition the exhibition will present
exclusive extracts from a new documentary by Niels Bolbrinker. The film
focuses on the brave new world of spying and thought control. Among others
we will see the transmitter-man and Andreas Seltzer as a mediator between
delusion and reality. (Film release: May 2014).
|